• Medientyp: E-Book
  • Titel: Brief von Eduard Devrient an Karl Johann Brulliot vom 26.01.1868 - K 2985, 1, 4
  • Beteiligte: Devrient, Eduard [VerfasserIn]; Brulliot, Karl Johann [Adressat]
  • Erschienen: Karlsruhe, 26.01.1868
    Online-Ausg.: Karlsruhe: Badische Landesbibliothek, 2011
  • Umfang: [1] Doppelbl
  • Sprache: Deutsch
  • Identifikator:
  • Schlagwörter: Handschrift
  • Reproduktionsreihe: Digitale Sammlungen der Badischen Landesbibliothek. Autographen
  • Art der Reproduktion: Online-Ausg.
  • Hersteller der Reproduktion: Karlsruhe: Badische Landesbibliothek, 2011
  • Entstehung:
  • Original: BLB Karlsruhe: K 2985, 1, 4
  • Anmerkungen: Inhalt: Eduard Devrient teilt dem Regisseur Karl Johann Brulliot mit, er habe den Befehl erhalten, am Donnerstag [d.i. der 30.01.1868] die Oper "Genoveva" von Robert Schumann aufzuführen, und bittet, dies dem Kapellmeister Hermann Levi mitzuteilen. - Erwähnte Personen: Levi, Hermann. - Erwähnte Orte: Karlsruhe. - Erwähnte Werke: Schumann, Robert / Genoveva
    Eine eilige Notiz: Eduard Devrient, Intendant des Hoftheaters Karlsruhe, teilt dem Regisseur Karl Johann Brulliot mit, er habe den Befehl erhalten, am Donnerstag [dem 30. Januar 1868] die Oper „Genoveva“ von Robert Schumann aufzuführen. Er bittet, dies dem Kapellmeister Hermann Levi mitzuteilen und die weiteren Vorbereitungen zu treffen. Der vormals am Dresdener Hoftheater tätige Regisseur und Schauspieler Eduard Devrient (1801-1877), aus einer berühmten Theaterfamilie stammend, hatte 1852 die Direktion des Karlsruher Hoftheaters übernommen und wirkte hier bis zum Jahr 1870. Dem renommierten Theatermann verdankte das völlig darniederliegende Theater in Karlsruhe einen beispielhaften Aufstieg und einen hervorragenden Ruf. Devrient setzte gegen den Widerstand des Publikums eine umfassende Reform durch, die das Karlsruher Theater in eine führende Bühne in Deutschland verwandelte. Er verwirklichte ein anspruchsvolles Repertoire klassischer Bühnenstücke und erreichte ein entsprechendes Aufführungsniveau durch unerbittliche Probenarbeit und unermüdliche künstlerische Sorgfalt. Unnachgiebig verbesserte er durch Schulungsmaßnahmen die Qualität der Sprechkunst, und kompromisslos ahndete er Disziplinverstöße seiner Theatertruppe mit Geldstrafen. Sehr schnell wurde ein Engagement in Karlsruhe auch für hervorragende Schauspieler und Sänger interessant. Es gelang Devrient, fähige Leute nach Karlsruhe zu holen, die sein Ziel eines Bildungstheaters auf höchstem künstlerischem Niveau unterstützen. Dazu gehört Karl Johann Brulliot (1831-1897), an den der Brief gerichtet ist. Devrient verpflichtete den jungen Sänger 1853 als Ersten Bass nach Karlsruhe und bestellte ihn 1859 zum Opernregisseur. Als solcher hatte er auch die Vorbereitungen zur Opernaufführung am 30. Januar 1868 zu leisten. 1873, nach dem Ende der Ära Eduard Devrients in Karlsruhe und dem schnellen Abgang seiner beiden glücklosen Nachfolger, wech-selte Brulliot an das Münchener Hoftheater und übernahm auch hier bald die Regie der Oper. Seit 1864 gehörte auch Hermann Levi (1839-1900) als Operndirigent zum Ensemble. Zuvor war er als Kapellmeister in Saarbrücken, Mannheim und Rotterdam tätig gewesen. Hermann Levi war einer der bedeutendsten Dirigenten des 19. Jahrhunderts; 1872 flüchtete er aus den desolaten Karlsruher Theaterverhältnissen wie kurz nach ihm Brulliot ans Hoftheater München. Nachdem er 1863 Clara Schumann in Baden-Baden kennen gelernt hatte, verband ihn für Jahrzehnte eine von großer beidseitiger Wertschätzung getragene Freundschaft mit der Pianistin. In Levis Karlsruher Zeit gab es vielfältige Verbindungen zwischen seinem musikalischen Wirken am Hoftheater und der Tätigkeit von Clara Schumann, die zwischen 1863 und 1873 ein Haus in Lichtenthal bei Baden-Baden bewohnte. 1867 studierten Levi und Brulliot in Karlsruhe Robert Schumanns Oper „Genoveva“ ein. Es ist Schumann einzige Oper, zwischen April 1847 und August 1848 entstanden und 1850 in Leipzig unter der Leitung des Komponisten uraufgeführt. Vorbild für die Handlung ist eine mittelalterliche französische Sage, die von einer Ehebruchintrige und standhafter ehelicher Treue erzählt. Die Uraufführung fiel in der Kritik durch und brachte es lediglich auf drei Vorstellungen. Mit Ausnahme einer Inszenierung durch Franz Liszt in Weimar 1855 sind Aufführungen in den Folgejahren unbekannt. Es gehört zu den Verdiensten von Levis Schumann-Pflege, dass Schumanns “Genoveva“ 1867/68 in Karlsruhe erstaufgeführt und dem interessierten Musikpublikum erstmals wieder vorgestellt wurde. Im Dezember 1865 hatte Levi in Karlsruhe die Ouvertüre der Oper im Rahmen eines Orchesterkonzerts dirigiert, und Eduard Devrient hatte sich notiert: „Man müßte doch sehen, die Oper möglich zu machen.“ Aber das erwies sich bei den Proben zwei Jahre später als schwierig. Devrient war ratlos: „Konferenz über Genoveva. Das konfuse Gedicht macht Kopfzerbrechen, wie es sich szenisch vernünftigerweise gestalten ließe. Dazu kommt auch noch Levi mit seinen unreifen Ansprüchen.“ Nicht nur mit Hermann Levi geriet Devrient wegen Schumanns Oper aneinander, auch der Spielleiter Brulliot war überreizt. Ende Oktober 1867, nach der „Konferenz“ zur „Genoveva“, verwarnte Devrient seinen Opernregisseur, sich in Baden-Baden – wo das Karlsruher Hoftheaterensemble regelmäßig gastierte – mit dem Weintrinken zurückzuhalten. Daraufhin kündigte Brulliot kurzerhand die Regie, und Devrient bemerkte einige Tage später: „Levi berichtete mir von einem Gespräch mit Brulliot, der aus Verranntheit in die Neigung zur [Sopranistin Anna] Braunhofer und aus seinem Eigensinn, daß er die Regie niederlegen müsse, nicht fortzubringen sei.“ Bei den Orchesterproben im November 1867 stellte sich heraus, dass ein Publikumserfolg kaum zu erwarten war. Devrient notierte am 17. November in sein Tagebuch: „Um 11 Uhr in der Musikprobe von ‚Genoveva‘. Die Musik ist gewiß trefflich gearbeitet, aber unklar und nicht von dramatischem Ausdruck. Man muß das Orchester hören, auf das wesentlich gerechnet ist.“ Am 22. November: „Lange große Musikprobe ‚Genoveva‘. Bis jetzt macht mir die Musik keinen anderen Eindruck als der Ermüdung, ein unverständliches Hintereinanderfort ohne Gruppierung und ganz ohne dramatischen Ausdruck.“ Und am 27. November: Vorprobe ‚Genoveva‘ 3. Und 4. Akt. So viel Mühe umsonst; denn nicht einmal mit Ehren wird man dies verfehlte Werk produzieren.“ Die Inszenierung hatte, wie der Almanach des Großherzoglichen Hoftheaters berichtet, am 3. Dezember 1867 „zur Feier des Allerhöchsten Geburtstagsfestes Ihre Königlichen Hoheit der Frau Großherzogin. Bei festlich beleuchtetem Hause“ Premiere. Karl Brulliot selbst trat in der Rolle des Haushofmeisters Drago auf. Textbücher, so vermerkte der Programmzettel, waren für 12 kr. in der Verlagsbuchhandlung C. Macklot und an der Abendkasse zu haben. In der Spielzeit 1867/68 wurde die Oper dann noch zweimal gegeben. Für die weiteren Aufführungen wurde der 4. Akt noch einmal neu arrangiert. Zur Vorstellung am 3. Januar 1868 reiste Clara Schumann an, die die Aufführung „außerordentlich schön“ fand. Am 30. Januar 1868 fand die dritte Aufführung statt. Damit hatte sich das Interesse der Theaterbesucher dann aber wohl erschöpft. Neben dem beliebten Opernrepertoire von Auber, Lortzing, Meyerbeer, Mozart, Rossini, Wagner und Weber hat sich Schumanns Oper auch in Karlsruhe nicht behaupten können. Im November 1873 hat Levi es an seiner neuen Wirkungsstätte in München noch einmal mit Schumanns Oper versucht. Auf drei Vorstellungen brachte es seine dortige Einstudierung, der sich dann eine Inszenierung am Wiener Hoftheater unter der musikalischen Leitung des später in Karlsruhe tätigen Otto Dessoff anschloss. Damit hatte „Genoveva“ das Interesse der deutschen Bühnen gewonnen. Es folgten Inszenierungen an 20 deutschen Hof- und Stadttheatern bis zum Jahr 1900, sämtlich mit sehr mäßigem Erfolg. Hermann Levi selbst hat die Oper im Herbst 1883 noch einmal in Karlsruhe und München dirigiert. Der berühmte Musikkritiker Eduard Hanslick urteilte 1875 in seinem Buch „Die moderne Oper“ über Schumanns Komposition: „Karlsruhe und München machten jüngst einen Versuch damit, welcher nicht eben ermuthigend ausfiel. Zuletzt ging Director Herbeck in Wien an das gleiche Werk und tilgte so in ehrenvollster Weise eine doppelte Schuld: an Schumann und an das für diesen Tondichter enthusiastisch eingenommene Wiener Publicum. Letzteres hörte die erste Vorstellung mit pietätvoller Andacht und Aufmerksamkeit; von der zweiten an begann es in bedenklicher Weise auszubleiben. Genovefa selbst erregt unser Interesse nicht blos als ein eigenthümliches, mit liebevoller Hingebung geschaffenes Werk Schumanns’s, sie predigt auch, durch ihr unglückliches Bühnenschicksal, sehr heilsame Lehren für unsere lebenden deutschen Operncomponisten. […] Man kann ein genialer Tondichter sein und doch für die Bühne nicht zu schreiben verstehen.“ Der Brief ist auf einem Kopfbogen der Großherzoglichen Hof-Theater-Direction in Karlsruhe niedergeschrieben und an den „Herrn Regisseur Brulliot“ adressiert. Das Großherzoglich badische Siegel mit rotem Lack ist gänzlich erhalten. Lit. (in Auswahl): Eduard Hanslick: Die moderne Oper, Berlin 1875, S. 256-273: Ro-bert Schumann als Operncomponist. - Eduard Devrient in seinen Tagebüchern, Bd. 2: Karlsruhe 1852-1879, hrsg. von Rolf Kabel, Weimar 1964. - Willie-Earl Oliver: Robert Schumanns vergessene Oper „Genoveva“, Diss., Freiburg i. Br. 1978
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