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"Angesichts des emphatischen Anspruchs der Neurowissenschaften (oder ihrer medialen Lautsprecher), neue Erkenntnisse zu bieten, die die Annahme eines freien Willens hinfällig werden ließen, ist es vielleicht sinnvoll, sich daran zu erinnern, dass schon Kant (in seiner Kritik der theoretischen Vernunft) ein solches Wissen imaginierte, aber gänzlich andere Schlussfolgerungen daraus zog: '...alle Handlungen des Menschen (sind) in der Erscheinung aus seinem empirischen Charakter und den mitwirkenden anderen Ursachen nach der Ordnung der Natur bestimmt, und wenn wir alle Erscheinungen seiner Willkür bis auf den Grund erforschen könnten, so würde es keine einzige menschliche Handlung geben, die wir nicht mit Gewissheit vorhersagen und aus ihren vorgehenden Bedingungen als notwendig erkennen könnten' (hier zitiert nach Lindemann 2006: 349). Kants Form der Trennung von empirischer und intelligibler Welt, mit der er den naturwissenschaftlichen Determinismus gelten ließ und gleichzeitig in seiner Moralphilosophie Willensfreiheit und Schuldfähigkeit voraussetzte, wird in dieser Weise kaum noch vollzogen. Anklänge an sie finden sich aber in den bis heute gebräuchlichen Unterscheidungen zwischen Ursachen und Gründen und zwischen verschiedenen Beschreibungsebenen, mit denen man aus der Perspektive der ersten Person Selbsterfahrungen und Sinnkonstruktionen, aus der Perspektive der dritten Person Objekte der natürlichen (gelegentlich auch der sozialen) Umwelt in den Blick nimmt (dazu unten mehr)." (Textauszug)