Description:
Otto Klemperer (1885–1973) war kein Mann des Wortes. Hin und wieder empfand der Dirigent jedoch das Bedürfnis, seine Gedanken über Musik zu Papier zu bringen, und selbst darin vermeidet er alles Blumige oder Feuilletonistische. Wie bei der Probenarbeit konzentrierte er sich als Schriftsteller auf Fasslichkeit, Klarheit, Kraft und Balance. Was für die literarische Arbeit gilt, gilt erst recht für die Briefe Otto Klemperers. Sie durchstreifen ein weites Themenfeld und sorgen für reiche Abwechslung. Dabei halten sie sich sprachlich an die Regel der Einfachheit, beschränken sich inhaltlich auf das Wesentliche. Auch zeigt sich Klemperer nirgends bereit, sich in die Tiefe auszuweiten. Stattdessen wiegelt er ab – »Mehr darüber zu schreiben, würde zu weit führen« – und wechselt das Thema. Immer wieder sucht er dennoch den Diskurs mit Komponisten, Literaten, Künstlern und Politikern, unter ihnen Hans Pfitzner, Wilhelm Furtwängler, Bruno Walter, Artur Schnabel, Alban Berg, Paul Hindemith, Arnold Schönberg, Franz Schreker, Richard Strauss, Igor Strawinsky, Alexander Zemlinsky, Konrad Adenauer, Eleanor Roosevelt, Theodor W. Adorno, Ernst Bloch, Thomas Mann und Oskar Kokoschka. Konfrontiert er sie mit eigenen, divergierenden Meinungen, begründet er diese nur knapp. Selbst wenn er von musikalischen Sachverhalten schreibt, versucht er nicht, Inhalte verbal zu artikulieren. »Verzeiht«, entschuldigt er sich dann, »ich kann nicht hohe Worte machen «. Gelegentlich plaudert er aus dem dirigentischen Nähkästchen, schildert technische Kniffe, empfiehlt Wege zum Ziel; manchmal sucht er den Rat eines Komponisten, manchmal erteilt er einem Kunstschaffenden wiederum Ratschläge; mal erinnert er sich gerne an eine gelungene, mal erzürnt er sich über eine missglückte Aufführung. Die 426 Briefe des vorliegenden Bandes hat Lotte Klemperer, die Tochter des Dirigenten, aus einem Fundus von ca. 4000 Briefen und Brieffragmenten zur Veröffentlichung ausgewählt und freigegeben