• Media type: E-Article
  • Title: Sichelzellkrankheit unter Neugeborenen in Deutschland: Eine Studie an Routinedaten der AOK
  • Contributor: Pattloch, Dagmar
  • Published: Georg Thieme Verlag KG, 2019
  • Published in: Das Gesundheitswesen, 81 (2019) 12, Seite 986-992
  • Language: German
  • DOI: 10.1055/a-0719-5165
  • ISSN: 0941-3790; 1439-4421
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  • Description: ZusammenfassungHintergrund Die Sichelzellkrankheit (SCD, ICD-10:D57) ist eine autosomal rezessiv vererbte Hämoglobinkrankheit mit globaler Public-Health-Relevanz. In Deutschland kommen pro Jahr 70–150 Kinder mit SCD zur Welt (1–2 je 10 000 Neugeborene). Die Früherkennung im asymptomatischen ersten Vierteljahr wäre leitliniengerecht und sekundärpräventiv bedeutsam.Ziel der Studie Das Ziel dieser Arbeit ist 1) die Ermittlung der Prävalenz von SCD in Routinedaten von AOK-versicherten Neugeborenen, 2) die Messung des Alters bei der Erstdiagnose D57, 3) die Zählung charakteristischer Krankenhausdiagnosen.Methode Analysiert wurden ambulante und stationäre Routinedaten von 204 AOK-versicherten Kindern. Dies sind alle, die 2009–2010 geboren sind, mindestens einen Tag im Geburtsjahr AOK-versichert waren und innerhalb von 6 Kalenderjahren jemals einen Code D57 erhielten. Die Anzahl Neugeborener in der AOK 2009–2010 (Nennerpopulation) ist bekannt. SCD-Fälle (Zähler) gelten als validiert, wenn D57 (außer D57.3) in mindestens 2 Quartalen (Q) codiert wurde. Es wird die Prävalenzproportion mit Bootstrap-Konfidenzintervall (CI) berechnet. Pro Fall wird quartalsgenau ausgelesen, wann D57 erstmals auftaucht. Der Standardized Incidence Ratio (SIR) wird berechnet für Krankenhausfälle vom Monat 13 bis Monat 61 im Vergleich zur Bevölkerung gleichen Geschlechts und Alters (1 bis unter 5 Jahre). Die Auswertung erfolgt mit SPSS 22 und Excel.Ergebnis Nach interner Validierung resultierten 78 Fälle von SCD. Die Prävalenz beträgt 1,96 (95% CI 1,53–2,41) pro 10 000 Neugeborene. Regionale Schwerpunkte zeigten sich in Berlin, Bremen, Hamburg (zusammengefasst) sowie in Nordrhein-Westfalen. Die Erstnennung von D57 erfolgte nur bei 15,4% der Fälle früh, d. h. in Q1–2. Der Median liegt in Q7. In 78 Fällen ereigneten sich 266 Krankenhausfälle mit einem SIR=6,8, d. h. die Hospitalisierungsrate ist 6,8fach höher als die der Bevölkerung. Unter den Entlassungsdiagnosen fanden sich gefürchtete Outcomes wie Pneumonie, Sepsis und Milzerkrankungen.Schlussfolgerung SCD in Deutschland lässt sich mit Routinedaten der größten gesetzlichen Krankenkasse plausibel darstellen. Derzeit wird die Krankheit zu selten frühzeitig erkannt. Die Zeit bis zur Erkennung ließe sich entscheidend verkürzen durch Aufnahme von SCD in das Neugeborenenscreening. Bis eine solche Lösung erreicht ist, sollten Eltern mit Migrationshintergrund und Fachleute ihre Aufmerksamkeit für SCD erhöhen.