• Media type: E-Article
  • Title: Die Kunst zu Titrieren. Vom klassischen Endpunktverfahren zur modernen differentiellen und dynamischen Analyse
  • Contributor: Winkler‐Oswatitsch, Ruthild; Eigen, Manfred
  • imprint: Wiley, 1979
  • Published in: Angewandte Chemie
  • Language: English
  • DOI: 10.1002/ange.19790910105
  • ISSN: 0044-8249; 1521-3757
  • Keywords: General Medicine
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  • Description: <jats:title>Abstract</jats:title><jats:p>Titrieren heißt, eine Stoffmenge durch chemische Umsetzung mit einer kalibrierten Standardsubstanz quantitativ zu bestimmen. Detaillierte Information über die Gleichgewichtsparameter erhält man im allgemeinen aus der Form der Titrationskurve. Im vorliegenden Beitrag werden die Ableitungen der Titrationsfunktionen nach den Konzentrationen einerseits und nach den Massenwirkungsparametern andererseits einander gegenübergestellt. Die Gleichgewichtsparameter können direkt aus den Amplituden und Zeitkonstanten der dynamischen Veränderungen des Systems als Folge einer Störung der Gleichgewichtsbedingungen bestimmt werden. Die Störung kann z. B. durch schnelle Änderung der Temperatur, des Druckes oder der elektrischen Feldstärke hervorgerufen werden.</jats:p><jats:p>Ganz allgemein sind drei Grundtypen von Reaktionssystemen zu unterscheiden; 1. Ist die Wechselwirkung zwischen den Reaktanden sehr stark (d. h. die Stabilität der Komplexverbindung sehr hoch: <jats:italic>K</jats:italic>←∞, so kann die (mittlere) Teilchenzahl einer Meßprobe direkt anhand der Reaktion mit einer bekannten Anzahl von Teilchen einer Standardlösung verglichen und somit “abgezählt” werden. – 2. Ist im Gegensatz dazu die Wechselwirkung relativ schwach (d. h. die Stabilität des Komplexes gering), so findet eine quantitative Umsetzung der zu bestimmenden Substanz nur in Gegenwart eines großen Überschusses an Standardlösung statt; der zur Erreichung des Halbwertpunktes notwendige Überschuß ist ein direktes Maß für die Bindungskonstante. – 3. Lediglich bei mittelstarken Wechselwirkungen ist es möglich. Titrationskurven zu beobachten, deren Verlauf charakteristisch für die Bindungsstärke der reagierenden Substanz ist, während in den Fällen 1 und 2 nur einheitliche Standardkurven für die jeweilige Titrationsfunktion erhalten werden.</jats:p><jats:p>Im Fall 1 haben wir es vor allem mit der Anwendung der klassischen Endpunktmethode zu tun. Sie ist für die quantitative Analyse, d. h. für die Bestimmung der Konzentrationen einer Probe, optimal geeignet. Die dynamischen Verfahren, die auf die Bestimmung der Gleichgewichtsparameter adaptiert sind, erweisen sich hier als ziemlich unempfindlich. Im Fall 2 liefern die klassische und die dynamische Methode vergleichbare Aussagen: Die Massenwirkungsparameter erhält man aus den Extremwerten der Kurven, welche erst nach Zugabe eines Überschusses an Standardreagens auftreten. Im Fall 3 dagegen sind die dynamischen Meßverfahren von Vorteil; sie ermöglichen eine direkte Bestimmung sowohl der Mengenverhältnisse der Reaktionsteilnehmer, der Gleichgewichtskonstanten, der Reaktionsenthalpien oder ‐volumina als auch der Geschwindigkeitskonstanten des Reaktionssystems. Der Vorteil der dynamischen Methode beruht darauf, daß in den beiden Ableitungen der Titrationsfunktion d<jats:italic>T</jats:italic><jats:sub>i</jats:sub>/d ln <jats:italic>q</jats:italic> und d <jats:italic>T</jats:italic><jats:sub>i</jats:sub>/d ln <jats:italic>p</jats:italic> die Terme, die sich aus der Variation nach <jats:italic>p</jats:italic> ergeben, in engerer Beziehung zu den Reaktionsparametern stehen als diejenigen, die aus der Ableitung nach <jats:italic>q</jats:italic> hervorgehen. (<jats:italic>q</jats:italic> ist das Verhältnis von Standard‐ zu Probenkonzentration, d. h. die eigentliche Titrationsvariable, und <jats:italic>p</jats:italic> symbolisiert den Massenwirkungsparameter, d. h. eine reduzierte Bindungskonstante.)</jats:p><jats:p>Die zunächst für einstufige Systeme erläuterte dynamische Analyse wird für die Anwendung auf mehrstufige Reaktionssysteme verallgemeinert. Es ergibt sich daraus die Möglichkeit einer Bestimmung sämtlicher Gleichgewichts‐ und Geschwindigkeitsparameter einzelner Reaktionsschritte in einer vielstufigen Umwandlung, also auch der Meßgrößen, die aus klassischen Bindungsstudien nicht erhältlich sind. Eine einheitliche Darstellung der Relationen wird durch Verwendung trigonometrischer Funktionen erzielt, in denen der Singularitätscharakter des Endpunktes klarer zum Ausdruck kommt. Die Beziehungen sind in mehreren Tabellen zusammengefaßt, welche in Verbindung mit den graphischen Illustrationen die Grundlage für eine vergleichende Diskussion bilden.</jats:p>