Published in:Soziologische Analysen: Referate aus den Veranstaltungen der Sektionen der Deutschen Gesellschaft für Soziologie und der ad-hoc-Gruppen beim 19. Deutschen Soziologentag (Berlin, 17.-20. April 1979)
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Veröffentlichungsversion
begutachtet
In: Mackensen, Rainer (Hg.), Sagebiel, Felizitas (Hg.): Soziologische Analysen: Referate aus den Veranstaltungen der Sektionen der Deutschen Gesellschaft für Soziologie und der ad-hoc-Gruppen beim 19. Deutschen Soziologentag (Berlin, 17.-20. April 1979). 1979. S. 930-939
Description:
Die Überlegungen des Beitrags dienen der Konzipierung eines empirischen Forschungsprojekts, in dem die Identitätsprobleme von Arbeiterjugendlichen unter der Perspektive politischer Handlungspotentiale untersucht werden sollen. Das besondere Interesse richtet sich dabei auf die Frage, in welcher Weise in den biographischen Selbstdarstellungen dieser Jugendlichen gesellschaftskritische Interpretationsgehalte verankert sind. Es wird das Konzept der latenten Biographie entwickelt mit dem Ziel, ein theoretisches Mittel zu gewinnen, die lebensgeschichtliche Bedeutung klassentypischer Selbstbehauptungsmuster zu untersuchen, die mit der biographischen Selbstdeutung der Subjekte nicht zusammenfällt. Das Konzept der latenten Biographie wird als Ausweg aus der Sackgasse zwischen biographietheoretischem Relativismus und ihrer objektivistischen Korrektur betrachtet. Im weiteren wird im Rückgriff auf neuere englische Untersuchungen zur Arbeiterkultur gezeigt, wie in den kulturellen Lebenformen der Arbeiterklasse kollektive Muster persönlicher Selbstbehauptung vorgedacht sind, von denen angenommen wird, daß sie latent in die biographischen Selbstdeutungen von Arbeiterjugendlichen eingehen und die Bedeutung ihrer Handlung objektiv strukturieren. Arbeiterkultur wird beschrieben als defensiv, informell und männlich. Diese Grundmuster werden als Verhaltensrepertoire begriffen, in dem Arbeiter ihre soziale Identität behaupten. Für das Forschungsvorhaben werden die für die Adoleszenz typischen Handlungsprobleme von Arbeiterjugendlichen auf dieses in der Klassenkultur tradierte Verhaltensrepertoire zurückbezogen. Es wird die These aufgestellt, daß die in der Arbeiterkultur tradierten Selbstbehauptungsformen der Defensivität, Informalität und Männlichkeit auch in die biographischen Selbstdeutungen der Arbeiterjugendlichen einfließen, so daß sie die Bedeutung ihrer Handlungen sinnhaft vorstrukturieren. (RW)