Beschreibung:
Es mutet einigermaßen paradox an, dass der heute aus gesundheitlichen Gründen weltweit geächtete Tabakgenuss seinen Siegeszug in der frühneuzeitlichen europäischen Konsumkultur wesentlich der Mitwirkung von Medizinern zu verdanken hat.1 Viele von diesen sprachen seit dem 16. Jahrhundert dem Tabakrauchen heilende und gesundheitsfördernde Eigenschaften zu und halfen so, eine von vielen Zeitgenossen zunächst als fremdartig wahrgenommene Konsumform einzubürgern, die sich, auch gegen den Widerstand einer oft tabakfeindlichen Obrigkeit, immer mehr verbreitete.2 Der Tabak ist zugleich ein Beispiel dafür, wie in der Frühen Neuzeit durch Stimulierung neuer Bedürfnisse kapitalistisches Wachstum generiert wurde. Er und seine Konsumutensilien waren Gegenstand von auf Gewinnerzielung ausgerichteten unternehmerischen Aktivitäten, und die Verbraucher mussten den neuartigen Genuss, wenn sie nicht auf anderes verzichten wollten, durch Einkommen aus zusätzlicher oder produktiverer Arbeit finanzieren.