• Medientyp: E-Artikel
  • Titel: Über die Problematik der klinischen Entscheidungsfindung aufgrund von Fallbeschreibungen – ethische Implikationen am Beispiel eines Falls von Carmi Syndrom
  • Beteiligte: Muensterer, Oliver J.; Paul, Norbert W.
  • Erschienen: Springer Science and Business Media LLC, 2020
  • Erschienen in: Ethik in der Medizin
  • Sprache: Deutsch
  • DOI: 10.1007/s00481-020-00591-1
  • ISSN: 0935-7335; 1437-1618
  • Schlagwörter: Health Policy ; Philosophy ; Health (social science) ; Issues, ethics and legal aspects
  • Entstehung:
  • Anmerkungen:
  • Beschreibung: <jats:title>Zusammenfassung</jats:title><jats:p>Bei extrem seltenen Erkrankungen bilden Fallbeschreibungen oft die einzige Datengrundlage für klinische Entscheidungen. Das Carmi Syndrom ist eine seltene Kombination von Epidermolysis bullosa und Pylorusatresie. Während der Betreuung einer betroffenen Patientin fielen unterschiedliche Wahrnehmungen über die publizierten Mortalitätsraten auf. Daraufhin wurde die Hypothese untersucht, ob sich die kumulativen Mortalitätsraten von Einzelfallbeschreibungen und Mehrfachfallbeschreibungen unterscheiden, um so eine mögliche Verzerrung der Prognose in ihren Auswirkungen auf klinische und ethische Einschätzungen des Falls zu überprüfen.</jats:p><jats:p>Ein Mädchen wurde in der Schwangerschaftswoche 33 mit Carmi Syndrom geboren. Zusammen mit dem klinischen Ethikkomitee wurden Behandlungsoptionen diskutiert, einschließlich einer palliativen Behandlung oder einer operativen Gastrojejunostomie. Da etwa ein Drittel der in Fallbeschreibungen publizierten Kinder nach einer Operation überlebten, entschieden wir uns auch vor dem Hintergrund unsicherer Prognosen für das chirurgische Vorgehen. Die Patientin starb 4 Wochen später nach multiplen Komplikationen.</jats:p><jats:p>Die Datenbank PubMed wurde nach Publikationen über Carmi Syndrom durchsucht. Das Outcome von Einzelfallbeschreibungen wurde mit dem von Mehrfachfallbeschreibungen verglichen.</jats:p><jats:p>Insgesamt wurden 102 Fälle von Carmi Syndrom identifiziert. Die Mortalität bei Einzelfallbeschreibungen belief sich auf 17 von 27 Fällen (63 %), während 62 von 74 Patienten von Mehrfachfallbeschreibungen starben (84 %,<jats:italic>p</jats:italic> = 0,036).</jats:p><jats:p>Beim Carmi Syndrom unterscheidet sich die publizierte Mortalität zwischen Einfach- und Mehrfachfallbeschreibungen, möglicherweise aufgrund einer Kombination von Selektions- und Publikationsbias. Die Unterschätzung der tatsächlichen Mortalitätsrate kann zu unangebracht intensiven Therapieansätzen führen. Kliniker und Ethiker sollten daher vorsichtig sein, ihre Entscheidungen bei seltenen oder neuartigen Erkrankungen auf kumulative Erfahrungen von Fallbeschreibungen, insbesondere von Einzelfallbeschreibungen, zu basieren, die positive Verläufe von Behandlungen zu betonen scheinen.</jats:p>