Beschreibung:
Zusammenfassung Hintergrund Die bildgebende Diagnostik nimmt in der Evaluation nichtakzidentieller Verletzungsfolgen im Kindesalter eine Schlüsselrolle ein. Frakturen sind nach Hautläsionen wie Abschürfungen oder Hämatomen die zweithäufigste Folge körperlicher Kindesmisshandlung. Mit Hilfe radiologischer Kriterien können nichtakzidentielle von akzidentiellen Frakturen differenziert werden. Spezielle Frakturtypen wie die klassische metaphysäre Läsion können nur bei hoher Bildqualität differenziert werden. Fragestellung In einer prospektiven Analyse sollten Leitlinientreue und Qualitätssicherung der radiologischen Diagnostik bei Misshandlungsverdacht in Deutschland erfasst werden. Dazu wurden Quantität und diagnostische Qualität in der universitären und nichtuniversitären Versorgung sowie in Abhängigkeit einer vorhandenen kinderradiologischen Fachabteilung analysiert. Material und Methoden Es wurden 958 Röntgenuntersuchungen von 114 vermuteten Misshandlungsfällen (46 Mädchen, 68 Jungen) bewertet. Insgesamt 42 Fälle aus universitären, 42 aus maximalversorgenden und 30 aus regelversorgenden Kliniken mit einem medianen Alter von 6 Monaten (3 Wochen – 3. Lebensjahr) wurden als DICOM-Daten von 3 Kinderradiologen im Konsensverfahren hinsichtlich Leitlinientreue und verschiedener Qualitätsparameter beurteilt. Ein Begleitfragebogen sollte die theoretischen Kenntnisse mit der jeweiligen praktischen Umsetzung vergleichen. Ergebnisse Je Fall wurden im Mittel 8,4 Röntgenaufnahmen (1–22) angefertigt. In 12 von 114 beurteilten Fällen (10 %) lag ein vollständiger Skelettstatus nach S1-Leitlinie GPR vor. In 13 Fällen (10,5 %) wurde ein Babygramm durchgeführt. Abteilungen mit kinderradiologischem Schwerpunkt fertigten signifikant mehr Röntgenaufnahmen je Skelettstatus an als Einrichtungen ohne Schwerpunkt (p < 0,05). Eine signifikant höhere qualitative Umsetzung wurde in Universitätskliniken verzeichnet (p < 0,001). Eine Übereinstimmung von Fragebogenantwort und vorliegendem Bildmaterial zeigte sich unabhängig der Institutionsart nur marginal. Diskussion In Deutschland fehlt bislang mehrheitlich ein leitliniengerechtes Vorgehen bei Misshandlungsverdacht. Es bleibt abzuwarten, ob sich dies mit der breiteren Implementierung von Kinderschutzgruppen und der 2019 verabschiedeten S3-Kinderschutzleitlinie (AWMF-Registrierungsnummer: 027-069) zukünftig ändern wird. Die Etablierung von Referenzzentren für Zweitbefundung und Empfehlungen zur Aufnahmetechnik können zusätzlich die Versorgungsqualität nachhaltig verbessern.